Man hat mehr als nur Empfindungen Der musikalische Output des Labels Valle Venia reicht von klassische angehauchten Klaviermotiven über neutönerischen Passagen bis hin zu World Music, Rock und Pop. Wir unterhielten uns mit Leo Philipp Schmidt, der zusammen mit seiner Ehefrau Johanna Michel im atemberaubenden Tempo durch die verschiedensten Kunstwelten flaniert. (AUSZUG) INMUSIC: Woher rührt die stilistische Ungezwungenheit, die einem Labelprogramm von Valle Venia begegnet? LEO SCHMIDT: Ich bin mit der Rockmusik aufgewachsen und habe dieses Gefühl praktisch nie mehr aus dem Kopf bekommen. Hendrix ist und bleibt der Virtuose für mich - alles andere ist kalter Kaffee. Umgekehrt habe ich die unterschiedlichsten Instrumente gelernt, wodurch sich mein musikalischer Kosmosnatürlich geöffnet hat. Ich hab’ für meine Kinder beispielsweise das Weihnachtslied "Frieden auf Erden" komponiert, weil es sich einfach so ergab. Ich hab damit keinerlei Probleme, auch nicht mit einer Techno-CD. Ich kann mich in einen stampfenden Rhythmus genauso gut hineinfallen lassen wie in sanfte Violinenklänge. Das eine schließt das andere ja nicht aus. man hat im Leben ja auch nicht nur eine Empfindung. INMUSIC: Gibt es bei aller beruflichen Aktivität (Leo Schmidt und seine Ehefrau sind von Beruf Ärzte) nicht oftmals ein Zeitproblem, die zahlreichen Aktivitäten bei Valle Venia unter einen Hut zu bringen? LEO SCHMIDT: Sicher, die gibt es natürlich schon. Aber wir arbeiten enorm effektiv und diszipliniert. Es gibt kaum Ausschuss. Ein weiterer wichtiger Punkt ist, dass wir im künstlerischen Bereich ausschließlich mit Profis zusammenarbeiten. Egal, ob es sich nun um Musiker, Tonmeister, Kameraleute o.a. handelt. Die Phase mit "Halbprofis" und "Halbfreunden" haben wir schon relativ frühzeitig hinter uns gelassen. Die Leute, die uns bei unseren vielfältigen Projekten unterstützen, arbeiten 200%ig. Im Laufe der Jahre hat sich in dieser Beziehung sogar ein richtiger Freundeskreis aus allen Bereichen entwickelt. Wir haben beispielsweise mit Martin Wieland ( bei ECM Records u.a. Keith Jarrett, Chick Corea) einen der besten Tonmeister weltweit. Er ist seit mittlerweile 12 Jahren ein wirklich ganz, ganz guter Freund. INMUSIC: Wie geht die musikalische Arbeit nun konkret vonstatten? LEO SCHMIDT: Wir arbeiten immer projekt-gebunden. Das heißt, die Stücke werden von mir fertig komponiert, dann ruf ich bestimmte Leute an, und wir treffen uns dann alle. So verhält es sich auch mit unseren Musikern, die aus einem multikulturellen Umfeld stammen. Der Pianist ist aus Frankreich, der Perkussionist ist aus Afghanistan, der Saxophonist ist aus den USA usw. In dieser Vielfalt finden unsere Treffen statt. Meistens dauern die Aufnahmen dann eine Woche, wobei wir bei der Auswahl aller Beteiligten äußerst penibel sind, d.h. wir müssen uns mit den Leuten verstehen. Es darf also nicht vorkommen, dass ein Musiker sich einfach nur stur an seinen Vertrag hält und die ganze Sache lieblos runterdudelt. zum Glück ist unser Musikerkreis mittlerweile aber so groß, dass wir praktisch aus allen Sparten Künstler kennen und natürlich auch auf der Welt herumfahren. Wir machen uns also schon die Mühe, nach Los Angeles zu fahren, um einen bestimmten Gitarristen zu treffen. Dann sind das aber wirklich gewachsene Beziehungen auf musikalischer und menschlicher Ebene, die ewig halten. Es gibt auch viele Künstler, die für ihr musikalisches Engagement gar keine Gage wollen und nebenbei ihr eigenes, musikalisches Leben verfolgen. Durch unsere Projekte treffen auch viele Leute aufeinander, die normalerweise nichts miteinander zu tun hätten. Auf der einen Seite gibt es beispielsweise Saxophonisten aus den USA, die keine Note lesen können. (lacht) Dann haben wir wieder hier so relativ "bieder erzogene Konservatoriums-Musiker", die eine gewisse "Entmüdungsphase" hinter sich haben. Und dann treffen bei unseren Projekten diese unterschiedlichen, künstlerischen Welten aufeinander... Das ist äußerst spannend, aber es funktioniert wirklich gut. |